VIETNAM – Đà Lạt oder das Temperaturempfinden der Vietnamesen

Ich dacht ja immer Temperaturempfinden wäre etwas objektives, mit einer minimalen subjektiven Komponente. Nicht, dass ich dazu jemals eine Studie oder dergleichen gelesen hätte oder meine Meinung auf irgendeinem wissenschaftlichen Fundament ruhen würde. Nein, ich war mir nur sicher, dass jedem Menschne auf diesem Planeten doch irgendwie gleich kalt ist. Schließlich tragen alle bei Temperaturen um den Gefrierpunkt Winterjacken und ab 20 Grad steigt die der Sonne exponierte Fläche nackte Haut stetig. Klar, jeder hat diese irre Person im Freundeskreis die nicht mal eine Winterjacke besitzt und auch zum Punschtrinken am Christkindlmarkt nur im dünnen Strickpulli erscheint, aber sich auch nach Stunden in der Kälte noch nichts anmerken lässt. Und jeder kennt die Person, deren Lippen, sollten die Temperaturen unter 20 Grad fallen plötzlich blau anlaufen und erbärmlich zu bibbern beginnt. Die berühmten Ausnahmen von der Regel – so dacht ich. Aber reisen erweitert schließlich den Horizont und lässt einen seinen Standpunkt nochmal überdenken. Oder regt dazu an, über etwas nachzudenken was bin bisher nicht für überdenkenswert gehalten hat.

Da saß ich also im Bus von Mũi Né, dem netten Fischerörtchen am südchinesischen Meer mit tropischen Temperaturen, nach Đà Lạt, der ehemaligen Hill Station der Franzosen auf etwa 1.500 Metern über dem Meer. Đà Lạt diente den Franzosen als Erholungsort bei milderem, erträglicherem Klima um der Schwüle des Mekong-Deltas zu entkommen. Ja, vielleicht hätte mir das Vorhandensein solcher Hill Stations zur Kolonialzeit schon zu denken geben sollen. Đà Lạt ist da ja kein Unikum – Hill Stations gab es ja auch in Indien, auf den Philippinen usw. Da die Kolonialisten das dort vorherrschende Klima nicht so gut vertrugen. Ähm ja, gedankliche Querverbindungen herzustellen ist ähm…ja…lassen wir das.

So, zurück in den Bus: In den Bus gestiegen bin ich ein leichtes Sommerkleidchen tragend, mit kleinen Schweißperlen auf der Stirn. Bei der Klopause auf etwa halber Strecke (und damit halbem Weg den Berg hinauf) merkte ich schon, dass es deutlich abgekühlt hatte. Sprich – das Sommerkleidchen war noch immer ein den Temperaturen angemessenes Kleidungsstück, aber die Schweißperlen auf der Stirn waren weg. Als der Bus in Đà Lạt einrollte, dann die Überraschung – war ich im sibirischen Winter gelandet? Die Menschen auf den Straßen waren dick in Daunenjacken eingepackt, die Schals bis zur Nase hochgezogen und dicke Pudelhauben auf den Köpfen! Aber…aber…aber…aber…ich hatte mir doch vor ab das Klimadiagramm von Đà Lạt angeschaut! Man ist doch vorbereitet! Minimaltemperaturen um die 18 Grad um diese Jahreszeit ja, sibirischer Winter definitiv nein! Darauf war ich auch nicht vorbereitet! Aber Gott sei Dank sah ich schon aus dem Busfenster, dass jedes zweite Geschäfte Daunenjacken im Sortiment hatte, d.h. ich würde nicht erfrieren müssen.

Dann wurde es Zeit aus dem Bus auszusteigen und damit auch für eine Riesenüberraschung: DA DRAUSSEN WAR ES GAR NICHT KALT! Kein bisschen! 35 Grad hatte es auch nicht mehr wie in Mũi Né und ein dünnes Strickjäckchen wäre nicht schlecht gewesen, aber da draußen vor der Bustür war es nicht arktisch kalt! Himmel! Was war nur los mit den Menschen? Wie konnte man so maßlos übertreiben? Aber in diversen Gesprächen mit Einheimischen und vietnamesischen Touristen stellte ich fest – nein, sie sind nicht extrem melodramatisch – die leiden wirklich unter der „Kälte“! Sie denken doch ernsthaft, dass 20 Grad knapp über dem absoluten Nullpunkt sind und einem Gliedmaßen abfrieren könnten, sollte man sich nicht völlig einmummen. Ähm ja, so viel zum Thema: Kälteempfinden ist etwas objektives! Ist für mich T-Shirt-und-Strickjacken-Wetter, ist es für den Vietnamesen Daunenjacken-Wetter. Ähm ja…was soll man dazu sagen?

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Doppelmayr-Seilbahn in Đà Lạt

Das angenehme Klima Đà Lạts eignet sich hervorragend für Aktivitäten aller Art – man kann durch die Stadt mit ihren netten, kolonialen Häuschen streifen, ein bisschen durch die umliegenden Kaffeeplantagen wandern, den ehemaligen Königspalast besichtigen, mit einer Doppelmayr-Seilbahn über den Nadelwald zur Truc Lam Monastery schweben, zum Datanla Wasserfall wandern, um den Xuan Huong-See spazieren, eine Pferdekutschenfahrt unternehmen, den geschäftigen Markt besuchen, Wieselkaffee trinken und bei Kem Phung (facebook.com/KemPhungDaLat) das denkbar beste Avocadoeis essen. Ich hatte vorher noch nie über Avocadoeis nachgedacht, aber es dort zu probieren war eine Offenbarung! Und ich hab sicher irgendetwas vergessen, das der Reiseführer aber auch noch unter den Must-Sees aufführt. Oh und das Crazy House, das Crazy House sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen, da es einfach Spaß macht! Das Haus, das gleichzeitig auch ein Hotel ist, besteht aus einem Labyrinth aus verschlungenen Gängen, Höhlen, Pflanzenranken, Spinnennetzen – man kommt nicht umhin es mit einer Phantasie aus „Alice im Wunderland“ oder einem LSD-Trip zu vergleichen. Und wenn man gefallen daran gefunden hat, darf man sich einen Besuch der 100 Roof Bar auch nicht entgehen lassen. Der Architekt ist zwar ein anderer, war aber gut mit der Architektin des Crazy Houses befreundet oder sogar verbandelt.

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Der Keller des Crazy House ist gerade noch im Entstehen

Kurz zusammengefasst: In Đà Lạt muss keiner erfrieren, das Temperaturempfinden der Vietnamesen unterscheidet sich deutlich von dem der Europäer und in Đà Lạt lässt es sich gut aushalten.

 

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Das Crazy House in Đà Lạt


Crazy House (Biệt thự Hằng Nga)
Adresse: 03 Huynh Thuc Khang Street, Ward 4, Dalat City 67000
Link: www.crazyhouse.vn
Zimmerbuchung: über Booking.com und ähnliche Buchungsplattformen möglich
Öffnungszeiten: täglich 8:30 – 19:00Uhr

100 Roof Bar-Coffee
Adresse: 57 Phan Bội Châu, Phường 1, Đà Lạt
Link: 100roofs.com
Öffnungszeiten: täglich 08:30 – 00:00Uhr

Da Lat

StepMap Da Lat

 

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