TRANSSIBIRISCHES TAGEBUCH (1) – Von Moskau nach Jekaterinburg

Kilometer: 0 bis 1.778KM
Zughaltestellen: Moskau – Vladimir – Niznij Novogorod – Kirov – Balezino – Perm II – Jekaterinburg

Gestern Abend um 23:45Uhr war es so weit – der Zug Nummer 2, besser bekannt unter dem Namen „Transsibirische Eisenbahn“, mit dem Ziel Wladiwostok hat mit mir an Bord den Moskauer Bahnhof verlassen. Damit hat die längste Zugfahrt meines Lebens begonnen – 9.288 Kilometer liegen vor mir. Könnte man in sechs Tagen durchfahren, muss man aber nicht. Darum geht meine erste Etappe mal ins 1.778 Kilometer entfernte Jekaterinburg. Gut 25 Stunden soll das dauern, und am Montag 3Uhr früh Lokalzeit sollten wir im dortigen Bahnhof einrollen.

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Zug Nummer 2: Moskau – Wladiwostok

Dazwischen – Birkenwälder! Nichts als Birkenwälder! Birkenwälder mit sumpfigen Untergrund, Birkenwälder in denen der Sumpf kleine Miniseen gebildet hat, Birkenwälder mit grasigem Boden, Birkenwälder mit perfektem Schwammerlboden, undurchdringliche Birkenwälder, lichte Birkenwälder, achso – ich weiß nicht ob ich es schon gesagt habe – aber BIRKENWÄLDER.
Ab und zu sieht man ein paar kleine, braune Holzhäuschen durch die Birkenwälder blitzen; manche alt und heruntergekommen; andere herausgeputzt mit bunt gestrichenen, verschnörkelten Fenstereinfassungen aus Holz. Dann wieder ein Bahnhofshäuschen im absoluten Nichts und man fragt sich – wozu? Wo ist hier Zivilisation? Und dann kommt man wieder in eine Stadt und alles sieht postsowjetisch aus – sprich ein Mix aus Alt und Neu.

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Entlang der Strecke: Birkenwälder, Birkenwälder und Birkenwälder

Wie lebt es sich hier am Zug? Von der 2. Klasse aus kann man nicht klagen. Aber alles den Grundbedürfnissen nach…

WASSER
Jeder Wagon hat einen eigenen, fix verbauten Samowar, der stets heißes Wasser ausspuckt. Weiters steht daneben eine Kanne in dem das zuvor aufgekochte Samowar-Wasser auf Zimmertemperatur stets zur bereit steht. Sprich – sauberes Trinkwasser stets vorhanden! Und weil Wasser schnell fad werden kann, kann man sich bei den Zugbegleitern (davon sind pro Wagon zwei vorhanden) eine Tasse holen in der man sich dann einen Tee oder Löskaffee machen kann. Außerdem verkaufen sie Coca Cola, Kekse, Fertignudelsuppen und so Zeugs.

ESSEN
Da heißes Wasser stets bereit steht, erfreuen sich Fertignudelsuppen die man nur noch mit heißem Wasser übergießen muss auf den russischen Zügen größter Beliebtheit. Das war auch unser Mittagessen. Außerdem haben Mitreisende auch Erdäpfelpüree dabei, dem man nur noch heißes Wasser zugeben muss. Und Wurst und Käse und Brot.
Es gibt einen Speisewagen, in dem frisch gekocht wird – haben bisher unser Frühstück dort eingenommen und für 400Rubel gabs einen Kaffee, ein Omelette mit Tomaten und Dill, eine Scheibe Weißbrot und einen halben Toast mit einer dicken Scheibe Käse mit Dill. Hatte heute also zum Frühstück vermutlich schon mehr Dill als die letzten 3 Jahre zusammen. Wie die anderen Gerichte so sind, werde ich beim Abendessen herausfinden. Kaviar soll es auch geben – ich meine man gönnt sich ja sonst nichts!
Wenn der Zug in einer Station länger Aufenthalt hat, kann man bei den dortigen Standeln auch alles mögliche kaufen – frisches Obst und Gemüse, Eis, Brot, Rückenschrubber, Kekse, Fertignudelsuppen, kalte Getränke, Plüschtiere, Chips, kitschige Souvenirs.
Ihr seht – verhungern muss hier keiner!

INTERNET
Die russische Bahn stellt in diesem Zug leider kein WLAN zur Verfügung. Mit dem Handy hat man in den Stationen 4G+ und dazwischen immer mal wieder Empfang. Aber wie oben beschrieben, scheint die Besiedelung entlang der Bahnstrecke etwas dünn zu sein und damit auch die Netzabdeckung. Mal schauen wie sich das Richtung Osten weiterentwickelt…

SCHLAFEN
In der zweiten Klasse ist man in geschlossenen 4er Abteilen untergebracht, die zwei Liegeflächen übereinander haben. Die Matratzen sind gut hart und nicht durchgelegen, Bettzeugs und Handtuch bekommt man von der Bahn gestellt. In der Mitte des Abteils gibt’s ein kleines Tischchen mit Tischdecke auf dem auch gerade mein Laptop steht (und meine Wasserflasche, mein Göffel, mein eReader, meine Kaffeetasse, eine Banane, ein Packerl Löskaffee, eine Probepackung einer Haarkur die ich in Moskau im ZUM bekommen habe…). Jeder Platz hat auch eine Leselampe. Unter Tags können die Liegeflächen weggeklappt werden und in ein 6er Sitzabteil (hypothetisch – tatsächlich bleiben es ja weiterhin 4 Personen im Abteil) verwandelt werden. Das Gepäck hat man unter der unterste Liegefläche oder ober der Tür eingelagert.

ELEKTRIZITÄT
Ja, gibt es. Aber leider nur wenige Steckdose. Ich hab bisher vier am Gang gefunden und eine am Klo. Nichts mit eigener Steckdose am Platz.

KLO
Klos gibt es zwei im Wagon – eins vorne, eins hinten. Wird von den Zugbegleitern sauber und ordentlich gehalten. Daher gibt’s da nichts zu bemängeln. Klopapier vorhanden, Seife auch, Papierhandtücher auch.

DUSCHEN
Hahaha – jetzt kommts! Es gibt auch eine Dusche! JA! Für 150Rubel darf man diese benutzen und warm ist sie auch noch! Und man kann sich bei der Zugbegleiterin auch einen Föhn holen. Jep! Wunderbar, oder?

Kurzer Zwischeneinwurf: Vor meiner Abteiltür wird gerade gestaubsaugt! Die halten hier wirklich alles bestens in Schuss!

Wer hier so mit uns Zug fährt? Ob der TUI-Bus kurz vor Abfahrt am Bahnhof vorgefahren ist und eine Reisegruppe eingestiegen ist? Nein, gar nicht. Es dürften sich zwar in jedem Wagon ausländische Reisende befinden, die eben Transsib fahren tun, aber der Großteil dürften Russen sein die von A nach B wollen.
Wie es mit der Kommunikation so funktioniert? Es geht. Das Zugpersonal kann ein paar Brocken Englisch und Deutsch und die Pantomime-Darbietung für „Ichwürdejetztgernebitteduschen“ ist sowieso international. Kaffee heißt im russischen freundlicherweise auch Kafe und das Omelette auch Omelette.

Wie die Temperaturen sind? Draußen ist sommerlich heiß, der Zug ist klimatisiert und man könnte es fast etwas frisch nennen. Aber die Temperatur wird in jedem Wagon einzeln von den Zugbegleitern geregelt, d.h. obwohl bei uns sibirischer Winter herrscht, kann man es in anderen Wagons auch ohne Jäckchen aushalten.

Das wären sie, meine ersten Eindrücke von der Transsibirischen Eisenbahn! Weitere Geschichten folgen.

Transsibirische Eisenbahn

StepMap Transsibirische Eisenbahn

 

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